Am 18. Dezember 2012, am Morgen seines 93. Geburtstages, starb, unser ehemaliger Gesellschaftspräsident Josef Keller.
Viel Zeit ist seit seiner Präsidentschaft vergangen. Nur wenige der nachgewachsenen Generationen kannten ihn. Aber wir, diejenigen seiner Generation, kannten und schätzten ihn.
Sepp Keller und ich haben über zwei Jahrzehnte zusammengearbeitet. Ich erinnere mich gerne an diese Zeit.
Was uns verband war die Weltsicht und viele gemeinsame Interessen. Gemeinsam war uns auch die Auffassung, dass an Fastnacht nicht alle Normen über Bord geworfen werden müssen, Unterhaltung auch ohne Schlüpfrigkeiten möglich ist und man nicht immer dem Zeitgeist folgen muss - was uns unterschied war das Temperament und - um ein Wort Walther Zängleins zu gebrauchen - das „Plapprement“. Ging Sepp mit Worten eher sparsam um, war ich weit großzügiger. Dies führte mich zwangsläufig ins Amt des Sitzungspräsidenten.
Ich erinnere mich noch gut an jenen Herbstabend im Kolpinghaus, es muss Ende 1968 gewesen sein. Schauplatz für unsere Sitzungen war inzwischen die Stadthalle. Der damalige Präsident Herbert Heidrich hatte eine kleine Runde zusammengerufen, darunter auch Nichtfastnachter Sepp Keller. Herbert eröffnete uns, dass der Schritt der Schwarzen Elf in die große Öffentlichkeit eine Arbeitsteilung notwendig mache. Deshalb solle Sepp Keller künftig als Gesellschaftspräsident für die Organisation zuständig sein, er, Heidrich, als Sitzungspräsident für die Programmgestaltung.
Sepp Keller wurde Gesellschafspräsident. Der stets abwägend und analytisch Denkende erkannte schnell Schwächen und Defizite, erarbeitete eine Satzung für die bislang eher locker gefügte Untergruppe der Kolpingsfamilie. Durch die steigenden Besucherzahlen entwickelte sich die Schwarze Elf mehr und mehr zu einem kleinen Wirtschaftsunternehmen, das Sepp Keller unaufgeregt und mit sicherer Hand führte.
Das Programm verfolgte er stets von oben, vom zweiten Fenster der Gaststätte aus, mit unbewegtem Gesicht. Was ihm nicht gefiel sprach er an. Direkt und ohne Schnörkel. Gute Leistungen lobte er. Aber ohne aus dem Häuschen zu geraten. Ein knappes „Das war gut“ kam einem Ritterschlag gleich. Und wenn sich der ganze Saal vor Lachen bog, huschte bestenfalls ein leichtes Lächeln über seine Züge. Sepp Keller, der das Rampenlicht scheute, war kein Mann des lauten Lachens, der lauten Töne. Trotzdem war er ein Mensch, der sich herzlich freuen konnte. Doch nur wenn ihm niemand dabei zusah.
Als er nach über zwei Jahrzehnten das Amt in jüngere Hände legte, hatte er sich um unsere Gesellschaft verdient gemacht. Er blieb der Schwarzen Elf verbunden, doch seine Besuche wurden im Laufe der Zeit seltener. Schließlich blieb sein Stammplatz am Fenster leer. Wir brauchten lange, bis wir uns daran gewöhnt hatten.
Sepp Kellers letztes Jahre waren beschwerlich. Doch wurden sie gemildert durch die liebevolle Zuwendung seiner Frau Maria und durch die geduldige Pflege und Betreuung der Töchter Elisabeth und Christiane.
Bei meinem letzten Besuch - wer konnte wissen, dass ihm nur noch zwei Wochen vergönnt waren - wirkte er sehr, sehr müde. Das Wort „Lebensmüde“ kam mir in den Sinn. Er erkannte mich nicht. Doch als ich mich zum Gehen anschickte, wurden seine Augen plötzlich wach und ich spürte Erinnerung. Genau so war es. Er rief, beinahe freudig über seine Erkenntnis: „Du bist doch der, der immer so herzlich gelacht hatt“! Dann haben wir beide gelacht, er leise, ich schallend, wie so oft auf dem gemeinsamen Weg.
Es war unser letztes gemeinsames Lachen.
Der liebe Gott hat unsrem Sepp nach einem langen und erfüllten Leben einen sanften Tod geschenkt. Vielleicht war das ein Dankeschön von ganz oben für sein Wirken in unserer Gemeinschaft und im Sinne Adolf Kolpings.
Hans Driesel