2015
Fasching: Schwarze Elf
Gelungene Premiere! Publikum begeistert! Aktive hochzufrieden!
Was mer ham, des ham mer (1)
"Was mehr ham, des ham mer!" (2)
Was mer ham, des ham mer (3)
Schwarze Elf zündet fulminantes Feuerwerk
Ordensverleihung bei der „Schwarzen Elf“
Alles andere als Humba-Täterä
Kolping in fränkischer Faschingslaune
Alles andere als Humba-Täterä
Büttenredner Peter Kuhn
• Peter Kuhn tingelt zwischen Dreikönigstag und Aschermittwoch als Büttenredner über
Dutzende Karnevalsbühnen in Süddeutschland.
• Der Erzieher gilt als einer der Intellektuellen unter den Rednern - seine Vorbilder sind Loriot
und Heinz Erhardt.
• Die Fastnacht müsse sich von Comedy, Ballermann und Hüttengaudi unterscheiden, sagt er.
OBERWERRN · (Uwe Ritzer) Mit dem Fasching, so wie er vielerorts gefeiert wird, hat Peter Kuhn seine Probleme. "Das Niveau muss rauf", sagt er und redet sich ein bisschen in Fahrt. All die Ordensverleihungen und Ehrungen, überhaupt die ständigen Nettigkeiten gegenüber Honoratioren, dazu zig Schau- und Gardetänze wo zwei reichen würden - "das brauch' ich alles nicht", sagt Kuhn. Und wenn schon Büttenreden, dann bitte gute, solche, die spielerisch rüberkommen, aber punktgenau sticheln. "Die Fastnacht muss ihre Eigenständigkeit pflegen", sagt er. Und bei aller dazugehörigen Blödelei: "Sie muss sich von Comedy, Ballermann und Hüttengaudi unterscheiden."
Der Mann, der da in Oberwerrn bei Schweinfurt bei einer Tasse Kaffee in seiner Küche sitzt, unter vier gerahmten Plakaten bekannter Musicals, leidet bisweilen am Fasching - und liebt ihn dennoch. Er gehört ja auch dazu. Ein ebenso freundlicher, wie belesener Mann von 52 Jahren, Brille, Bart, Bäuchlein, Erzieher von Beruf, etwas zurückhaltend, ein Durchschnittstyp. Einer, der lieber Sachbücher als Romane liest, "weil sie mein Allgemeinwissen erweitern." Einer, der britischen Humor und karikierende Wortspieler wie Loriot oder Heinz Erhardt großartig findet.
Der Intellektuelle inmitten der Narretei
Ihnen eifert er nach, wenn er zwischen dem Dreikönigstag und Aschermittwoch als Büttenredner über Dutzende Karnevalsbühnen Süddeutschlands tingelt. Und wenn er bei der "Fastnacht in Franken" auftritt, der Prunksitzung des fränkischen Fastnachtsverbandes.
Zum 28. Mal wird sie an diesem Freitag um 19 Uhr vom Bayerischen Fernsehen live aus den Mainfrankensälen in Veitshöchheim ausgestrahlt. Kuhn gehört längst zum Inventar der Sendung, als Intellektueller inmitten der Narretei. Ein Meister der geschliffenen Reimkunst, der den satirischen, politischen Witz in Versform beherrscht wie kaum ein anderer deutscher Fastnachter. Fernab von Humba-Täterä und Luftschlangenhumor spöttelt Kuhn doppeldeutig und hintersinnig gegen die Obrigkeiten und die Zustände an. "Manche Sätze muss man eigentlich zwei- oder dreimal hören, will man alle satirischen Feinheiten heraushören", sagt Bernhard Schlereth, Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval (BDK).
Die Themen liefert die Wirklichkeit
Mal trat Kuhn in der Vergangenheit als abgestürzter Banker auf, mal als Mathematikprofessor, mal als Zeus und 2014 als Peter Lustig, der deutsche Politik zum Kindergarten und ihre Protagonisten zu unartigen und schlecht erzogenen Kindern schrumpfen ließ. Kuhns Texte liegen immer eng an der Gestalt, die er verkörpert. "Die richtige Figur zu finden, in die ich alles reinpacken kann, ist der schwierigste und kreativste Teil der Arbeit", sagt er.
Die Themen liefert die Wirklichkeit und sie zu einem Sprachgebilde zusammenzufügen sei letztlich "Handwerk, das man lernen und üben kann wie jedes andere Handwerk auch". Seine Büttenrede schreibt und übt er zwischen Weihnachten und Dreikönig. Eigentlich nicht fürs Fernsehen, sondern die "Schwarze 11", jene Schweinfurter Fastnachtsgesellschaft, bei der er auftritt und im Vorstand sitzt. "Er kann selbst mit schwierigsten Themen so umgehen, dass sie zur Fastnacht passen", sagt Schlereth. Die Anschläge vom 11. September, Guantanamo, Kriege und andere Katastrophen - in nasalem Tonfall und etwas belehrend findet er die richtigen Worte, nie plump, nie peinlich, nie unter der Niveaugrenze.
Gereimte, satirische Jahresrückblicke
"Es gibt nicht viele, die eine Büttenrede so meisterhaft formulieren und dann auch noch in einem gehobenen Sprachduktus so gekonnt vortragen können", sagt Martin Rassau von der Comödie Fürth. Ihm und seinem Komiker-Partner Volker Heißmann hat die Sendung aus Veitshöchheim geholfen, auch außerhalb des Karnevals zu Bühnen- und TV-Stars zu werden. Das gilt auch für andere Künstler. Comedian Michl Müller etwa erhält demnächst eine eigene Show in der ARD. Peter Kuhn hingegen drängt es nicht das ganze Jahr auf die Bühne, nicht mehr zumindest.
Als junger Kerl wollte er Schauspieler werden. Nach sechs Absagen von Schauspielschulen gab er den Plan auf, studierte ein Semester Archäologie und ließ sich schließlich zum Erzieher ausbilden. Seit einem Vierteljahrhundert arbeitet er in einer heilpädagogischen Einrichtung für verhaltensschwierige Kinder in Schweinfurt. "Das ist im Nachhinein auch gut so", sagt Kuhn. "Der Beruf macht mich finanziell unabhängig und ich muss nicht jede Rolle und jeden Auftritt annehmen."
Der Fasching als Hobby
In Oberwerrn leitet er eine Theatergruppe; Schauspielerei und Fastnacht sind reine Hobbys. Eine Büttenrede allein gäbe auch kein abendfüllendes Programm. Und als Profi müsste er obendrein "ständig dran sein und was Neues schreiben", sagt er. "Aber dazu bin ich zu faul."
In diesem Jahr tritt Peter Kuhn als Mitglied der Schweinfurter Bürgerwehr von 1770 auf, in blauer Uniform, die er sich eigens hat schneidern lassen. Eine militärische Figur sollte es sein angesichts all der Kriege auf der Welt. Der historische Rückgriff schafft Distanz und Raum für Witz, der in einer aktuellen Uniform unmöglich wäre. Trotzdem soll der Vortrag sehr gegenwärtig werden: Pegida, Russland und der kalte Krieg, Islam, Flüchtlinge - "Kuhns Reden sind wie gereimte, satirische Jahresrückblicke", sagt Schlereth.
Seinen distanzierten Blick auf den real-existierenden Karneval will sich Peter Kuhn auch nicht durch seine Erfolge in Veitshöchheim vernebeln lassen, wo ihn das Saalpublikum mitunter stehend gefeiert hat. Dazu hat er schon zu viel erlebt. Seine Bühnenarbeit wurde mit Preisen überhäuft. Es gab aber auch herbe Rückschläge, wie vor vielen Jahren im Düsseldorfer Karneval. "Es war scheußlich", sagt Kuhn und schimpft über oberflächliche Fröhlichkeit, pure Geschäftemacherei und Desinteresse an einer politisch-hintersinnigen Büttenrede. "In dieser Art des Karnevals ist keine Seele mehr drin", sagt er. Sollen das doch andere machen. Er sicher nicht.
© Uwe Ritzer
Quelle: Süddeutsche